Wichtige Änderungen für gemeinnützige Organisationen durch das Jahressteuergesetz 2020

1. Förderung des Ehrenamts, Vereinfachung im Spendenrecht

Die sogenannte Übungsleiterpauschale wurde von 2.400 € auf 3.000 € angehoben (§ 3 Nr. 26 EStG), die sogenannte Ehrenamtspauschale von 720 € auf 840 € (§ 3 Nr. 26a EStG). Beide Änderungen erfolgen mit Wirkung ab dem 01.01.2021.

Die beitragsmäßige Grenze, bis zu der Spenden und Mitgliedsbeiträge ohne Vorlage einer Zuwendungsbestätigung als Sonderausgaben abziehbar sind, wurde von 200 € auf 300 € angehoben und zwar rückwirkend für alle Zuwendungen, die nach dem 31.12.2019 zufließen.

2. Besteuerungsgrenze

Die Besteuerungsgrenze des steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs (§ 64 Abs. 3 AO) erhöht sich ab 1. Januar 2020 von 35.000 € auf 45.000 €.

3. Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung

Kleinere gemeinnützige Organisationen mit jährlichen Einnahmen von nicht mehr als 45.000 € sind von der Nachweispflicht der zeitnahen Mittelverwendung gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO befreit. Selbstverständlich bleiben auch kleinere Organisationen verpflichtet, im Grundsatz sämtliche Mittel für ihre gemeinnützigen Satzungszwecke zu verwenden. Die Ausnahme, Mittel in die freie Rücklage oder in eine Rücklage, im Mittelbeschaffungsbereich einzustellen, gilt für kleinere Organisationen nach wie vor.

4. Neue gemeinnützige Katalogzwecke

Der gesetzliche Katalog gemeinnütziger Zwecke im Sinne des § 52 AO wird um folgende neue Gebiete erweitert:

  • Förderung des Klimaschutzes
  • die Förderung der Hilfe für Menschen, die aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität oder ihrer geschlechtlichen Orientierung diskriminiert werden
  • Förderung der Ortsverschönerung (die Gesetzesbegründung spricht hier von der Verbesserung der örtlichen Lebensqualität im Dorf bzw. Stadtteil)
  • die Förderung der Einrichtung und Unterhaltung von Freifunknetzen
  • die Förderung der Unterhaltung und Pflege von Friedhöfen sowie die Förderung der Unterhaltung von Gedenkstätten für nicht-bestattungspflichtige Kinder und Föten. (Die seelsorgerische Betreuung der Angehörigen fällt in der Regel wie bisher unter Mildtätigkeit nach § 53 Nr. 1 AO)

Mitgliedsbeiträge an Vereine, die ausschließlich oder auch die Ortsverschönerung und/ oder den Freifunk fördern, sind nicht als Sonderausgaben abziehbar.

5. Erweiterung der Katalogzweckbetriebe

Das Gesetz sieht zwei neue Katalogzweckbetriebe vor:

  • Die entgeltliche Versorgung, Verpflegung und Betreuung von Flüchtlingen (§ 68 Nr. 1c AO) und zwar unter Beachtung der Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 AO, das heißt diese Tätigkeiten dürfen nicht „des Erwerbs wegen“ ausgeübt werden.
  • Die entgeltliche Durchführung der Fürsorge für psychische und seelische Erkrankungen bzw. Behinderungen (§ 68 Nr. 4 AO).

Bisher galten diese Tätigkeiten aus Billigkeitsüberlegungen auch ohne Satzungsregelung als Zweckbetriebe. Ab 01.01.2021 müssen diese Tätigkeiten Satzungsbestandteil sein.

6. Zuwendung von Mitteln

6.1 Wegfall des § 58 Nr. 2 AO

§ 58 Nr. 2 AO wurde aufgehoben. Damit sind die in § 58 Nr. 2 AO a. F. enthaltenen Restriktionen wie die beitragsmäßige Begrenzung der Mittelweitergabe von maximal 50% des Nettovermögens weggefallen. Die Weitergabe von Mitteln an andere gemeinnützige Körperschaften sowie an juristische Personen des öffentlichen Rechts beurteilt sich nun mehr allein nach § 58 Nr. 1 AO.

6.2 Änderungen in § 58 Nr. 1 AO

6.2.1 Zweckidentität aufgehoben

Die Steuervergünstigung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass eine steuerbegünstigte Körperschaft einer anderen gemeinnützigen Körperschaft oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts Mittel für die Verwirklichung steuerbegünstigter Zwecke zuwendet. Der neue § 58 Nr. 1 AO begünstigt auch die Zuwendungen für die Verfolgung anderer als die eigenen steuerbegünstigten Satzungszwecke.

In der Satzung muss die Mittelweitergabe dann explizit aufgeführt werden, wenn dies die einzige Art der Zweckverwirklichung der Körperschaft ist (sog. Förderkörperschaften).

6.2.2 Zuwendungen nur an Körperschaften, die in Deutschland wegen Gemeinnützigkeit steuerbegünstigt sind

Ausländische Körperschaften, die keine inländischen Einkünfte erzielen, dürfen wie bislang gefördert werden, sofern sie gemeinnützige Zwecke nach deutschem Rechtsverständnis verfolgen.

Ausländische Körperschaften, die in Deutschland mit inländischen Einkünften der beschränkten Steuerpflicht unterliegen, dürfen künftig nur noch gefördert werden, wenn sie in Deutschland wegen Gemeinnützigkeit steuerbegünstigt sind.

Beschränkt steuerpflichtige Körperschaften aus Drittstaaten, die in Deutschland generell nicht gemeinnützig sind, dürfen nicht gefördert werden.

6.2.3 Unentgeltliche oder verbilligte Dienstleistungen und Nutzungsüberlassungen

Unter den Begriff der Zuwendung fallen nicht nur Bargeld und Sachmittel. Auch die unentgeltliche oder verbilligte Nutzungsüberlassung oder unentgeltliche oder verbilligte Erbringung von Dienstleistungen unterfallen bspw. dem Begriff der Mittel.

6.3 Vertrauensschutz (§ 58a AO)

§ 58 Nr. 1 AO ermöglicht gemeinnützigkeitsrechtlich unschädlich die Mittelweitergabe an andere steuerbegünstige Körperschaften. Bisher nicht geregelt war, was dann passiert, wenn Empfängerkörperschaften später die Gemeinnützigkeit verlieren oder die hingegebenen Mittel zweckwidrig oder unzulässig verwenden.

Durch den neuen § 58a AO erfahren Förderkörperschaften Vertrauensschutz, sofern sie sich vor der Mittelzuwendung den auf die Empfängerkörperschaft lautenden Freistellungsbescheid oder die „Anlage Gemeinnützigkeit“ zum Körperschaftssteuerbescheid, ersatzweise einen Freistellungsbescheid nach § 60a AO haben vorlegen lassen und zwar jeweils in der geforderten Aktualität.

Kein Vertrauensschutz besteht hingegen, wenn die Förderkörperschaft die Unrichtigkeit der vorgelegten Bescheide gekannt oder grob fahrlässig nicht gekannt oder eine Zuwendung der zugewendeten Mittel für nicht-steuerbegünstige Zwecke durch die Empfängerkörperschaft veranlasst hat.

 

7. Kooperationen zwischen gemeinnützigen Organisationen

7.1 Unmittelbare Zweckverfolgung (§ 57 Abs. 1 AO)

Das Gemeinnützigkeitsrecht verlangt ein eigenes, nicht aber ein ausschließlich eigenes Wirken. Die Geschäftsführung vieler gemeinnütziger Körperschaften ist durch die Zusammenarbeit mit anderen gemeinnützigen Organisationen geprägt. Im praktischen Regelfall erbringen die Kooperationspartner im Rahmen eines Gesamtprojektes je nach finanzieller, personeller und fachlicher Kapazitäten unterschiedliche Teilbeträge auf Augenhöhe. Bringen bspw. mehrere technische Fachgesellschaften ihren fachlichen Input in einer gemeinsamen wissenschaftlichen Veranstaltung ein, sind beide Körperschaften unmittelbar gemeinnützig im Sinne des § 57 Abs. 1 AO tätig.

Allerdings sollten gemeinnützige Kooperationspartner stets darauf achten, nicht ungewollt eine Außengesellschaft bürgerlichen Rechts (Bietergemeinschaft, Konsortium) zu begründen, die ein eigenständiges Gewerbesteuersubjekt und als solches nicht wegen Gemeinnützigkeit steuerbefreit ist.

7.2 Neuer § 57 Abs. 3 AO

Serviceleistungen und Nutzungsüberlassungen als unmittelbar gemeinnützige Tätigkeit

Im neuen § 57 Abs. 3 AO hat der Gesetzgeber festgeschrieben, dass eine Körperschaft ihre Satzungszwecke auch dann unmittelbar gemeinnützig verfolgt, wenn sie satzungsgemäß durch planmäßiges Zusammenwirken mit mindestens einer anderen gemeinnützigen Körperschaft einen steuerbegünstigten Zweck verwirklicht.

Nun werden reine Servicegesellschaften (bspw. eine steuerpflichtige Krankenhauswäscherei GmbH) insoweit unmittelbar gemeinnützig agieren, als sie ihre Dienstleistung anderen gemeinnützigen Organisationen als Vorleistungen für deren gemeinnützige Tätigkeit erbringen und dies satzungsgemäß verankert ist.

Der Gesetzeswortlaut ist weit gefasst, ein Zusammenwirken kann auch außerhalb einer Konzern- oder Verbandsstruktur angenommen werden.

Dienstleistungen und Nutzungsüberlassungen sind nur unmittelbar gemeinnützig, wenn der Leistungsempfänger wegen Gemeinnützigkeit steuerbegünstigt ist.

Leistungserbringer und Leistungsempfänger müssen durch das Zusammenwirken einen steuerbegünstigten Zweck verfolgen.

Nach dem Gesetzeswortlaut muss das Zusammenwirken satzungsgemäß und darauf ausgerichtet sein, die steuerbegünstigten Zwecke zu erfüllen. Demnach muss das planmäßige Zusammenwirken in der Satzung abgebildet sein, und zwar als Art der Verwirklichung des eigenen Satzungszwecks und unter Beachtung des allgemeinen Bestimmungsgebotes.

Bestehende steuerpflichtige Servicegesellschaften müssen, soweit sie in den neuen § 57 Abs. 3 AO fallen wollen, ihre Satzung anpassen. Eine Servicegesellschaft, die als gemeinnützige Körperschaft anerkannt werden will, muss sämtliche übrige Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit erfüllen.

Entgeltliche Tätigkeiten im Sinne des § 57 Abs. 3 AO begründen einen Zweckbetrieb, wenn diese Tätigkeiten und die Tätigkeiten der anderen gemeinnützigen Kooperationspartner in der Zusammenschau die Voraussetzungen eines Zweckbetriebes erfüllen. Diese Tätigkeiten erfüllen Dienstleistungen, die in der betrieblichen Organisation des steuerbegünstigen Bereichs eingebunden sind wie bspw. die Reinigung von Wäsche für ein als Zweckbetrieb anerkanntes Pflegeheim, weiterhin etwa die Bereiche Küche, zentrale Dienstleistungen wie z.B. in den Bereichen Buchführung, Lohn-/ Gehaltsabrechnung, Recht, Steuern, IT, Personal und Controlling.

Die Zweckbetriebseigenschaft dieser Tätigkeiten hängt nicht von einer gesellschafts- oder vereinsrechtlichen Bindung zwischen den Kooperationspartnern ab. Sie kann auch bei Kooperationen zwischen gemeinnützigen Körperschaften bestehen, die nicht zu einem Konzern oder Verband gehören. Hingegen begründen entgeltliche Serviceleistungen an nicht-gemeinnützige Dritte wie bisher schon einen steuerpflichtigen, wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb.

Nicht geklärt ist im JStG 2020, ob die Zweckbetriebseigenschaft zur Folge hat, dass eine etwaig umsatzsteuerpflichtige Leistung (insbesondere außerhalb eines umsatzsteuerlichen Organkreises) dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7% unterliegt. Der Umsatzsteuersatz ist aufgrund der aktuellen BFH-Rechtssprechung fraglich und wird noch zu diskutieren sein.

8. Konzernstrukturen

Neuer § 57 Abs. 4 AO: Halten von Beteiligungen an gemeinnützigen Kapitalgesellschaften unmittelbar gemeinnützige Tätigkeit

Die Finanzverwaltung stand bisher auf dem Standpunkt, dass die Anteile einer gemeinnützigen Körperschaft an einer anderen gemeinnützigen Kapitalgesellschaft zur Vermögensverwaltung der Muttergesellschaft gehören.

Nach dem neuen § 57 Abs. 4 AO verfolgt eine Körperschaft ihre steuerbegünstigen Zwecke auch dann unmittelbar gemeinnützig, wenn sie ausschließlich Anteile an gemeinnützigen Kapitalgesellschaften hält und verwaltet. Damit können reine Holding-Körperschaften an der Spitze eines gemeinnützigen Konzerns auch ohne eigene operative oder fördernde gemeinnützige Aktivität gemeinnützig sein.

Das halten einer Beteiligung ist daher lediglich eine Art der Zweckverwirklichung. In der Konsequenz fallen nur Beteiligungen an solchen gemeinnützigen Kapitalgesellschaften unter § 57 Abs. 4 AO, die mindestens einen gleichen Satzungszweck wie der Gesellschafter verfolgen.

 

 

 

Quelle: Kirchhain DStR 2021, 129-139